JODY KORBACH

„Fine people on both sides, and me.“ NAK Neuer Aachener Kunstverein

Einzelausstellung

14.10.-03.12.2023

Lars Eidinger wollte nur mal kurz die Welt begreifen. Der Hass, den er erlebte, trieb ihm Tränen in die Augen. Und so knabberte er vor versammelter Filmpresse sorgenvoll am unlackierten Zeigefinger, bis anerkennendes Klatschen ihn von der elenden Bestürzung ob der allgemeinen Umstände erlöste. Zaghaftes Lächeln des Bühnenstars. Später dann die Häme der anderen.

Dem Mann, der sich noch wenige Wochen zuvor mit Aldi-inspirierter Luxushandtasche vor einem Schlaflager obdachloser Menschen inszeniert hatte, war also die Erkenntnis über die eigene Unzulänglichkeit gekommen. Bloß muss sich, wer vom Podium herab dem Schmerz im Leben schlechter Platzierter nachfühlt, wohl ohne deren Zuspruch auf der richtigen Seite der Geschichte in Stellung bringen.

Jody Korbach hat die Szene in einem Aquarell festgehalten – sinnbildlich für all die Momente, in denen Menschen Position beziehen, in denen sie die Synthese ihrer Selbstreflexion noch ungeschliffen ans Außen bringen und die als Schlüsselmomente der Bewertung vergangenen wie zukünftigen Handelns herangezogen werden. Sicher, war ein blöder Auftritt von Eidinger, doch ist einem, auch wenn er den Beweis der Solidarität noch erbringen muss, vorab die Empathie abzusprechen? Hätte Korbach es besser gemacht? Macht sie es besser?

Mit ihrer Ausstellung „fine people on both sides, and me.” im Neuen Aachener Kunstverein ertastet Korbach die Implikationen ihrer Selbstverortung auf dem politischen Spektrum. Sie war schon immer links, aber nicht so links, dass sie in ihrer Jugend auch nur eine Kartoffel in den Auspuff irgendeiner schicken Karre gequetscht hätte. Jetzt würde sie ganz gern mal wem aufs Maul geben. Oder glaubt, sie sollte mal wem aufs Maul geben. Oder glaubt, sie sollte mal wem aufs Maul geben wollen. Dabei hätte sie eigentlich auch gern ihre Ruhe.

„Ich stelle es mir befriedigend vor, jemanden krankenhausreif zu schlagen.“ Die Fantasie hat Korbach jedenfalls schon mal fixiert. Vielleicht gilt es, prophylaktisch Rechte zu traktieren, bevor sie weiter verletzen, wen sie als Mensch nicht gelten lassen wollen. Vielleicht sind ein paar brennende SUVs das Signal, das es braucht, um eine verlautbare Mehrheit für den Klassenkampf zu mobilisieren. Vielleicht muss man Gewalt ausprobiert haben, bevor man sie kategorisch ablehnen kann.

Wer in seiner Jugend keinen Mercedes-Stern abgetreten hat, wird allerdings den Verstand im Erwachsenenalter ordentlich gängeln müssen, um die verspätete Linksradikalisierung im justiziablen Bereich zu erproben. #partywennhelmutkohlstirbt lol, gern auch Spott über den Unfalltod österreichischer Rechtspopulisten. Aber wirklich mitten in die Fresse rein? Möglich, dass man für so viel Radikalität dann doch irgendwann zu alt ist.

Von der Seitenlinie aus tritt Korbach an ein politisches Spielfeld heran, auf dem das Faustrecht die Debatte ersetzen soll. Die linksradikale Cheerleaderin ist bereit, sich auf ihre Gegner zu stürzen – zumindest in der Theorie. Praktisch ist sie gehemmt, weil sie ahnt, dass sie echtes Bedroht-Sein auch dann nicht nachfühlen wird, wenn sie gehörig eine kassiert hat. In Leid kann man sich nicht einschreiben. Wütende Prügel und Tränen der Betroffenheit sind als defizitäre Ausdrucksmittel aufrichtiger Anteilnahme gewissermaßen artverwandt.

Im Neuen Aachener Kunstverein nuanciert Korbach Aggression mit dem Wunsch nach Heilung. Apotheken-Zeichen lancieren Sehnsucht nach Kritik und Kampf – aber bitte ohne Schmerzen, nach einer Welt, in der Ambiguitätstoleranz nicht im Verdacht steht, Rückratlosigkeit zu maskieren, in der Gewalt keine Facette von Haltung sein muss und in der die Würde des Menschen nicht permanent angegrabbelt wird, während doch eigentlich alle mit beiden Beinen auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung herumstehen.

Wie endlich Ruhe im Karton? Kann man da noch ins Gespräch kommen oder muss es erst knallen? Zwischen den Zeilen gibt Jody Korbach in ihrer Ausstellung ein paar Antworten. Was nicht heißt, dass die auch richtig sein müssen.

Anna Meinecke, Journalistin

Fassade NAK nach Eingriff der Antifa Aachen

Lars Eidinger just wanted to understand the world for a moment. The hatred that he experienced brought tears to his eyes, and so he anxiously nibbled at the unpainted nail of his index finger in front of the assembled film press until appreciative clapping relieved him of his abject dismay at the general circumstance. A timid smile by the stage star. Followed later by the gloating of the others.
The man, who just a few weeks earlier had posed with an Aldi-inspired luxury handbag in front of a camp of sleeping homeless people, had thus come to recognise his own inadequacy. But anyone who, from their ivory tower, feels the pain of those worse-off than them, has to position themselves on the right side of history without encouragement.
Jody Korbach captured the scene in a watercolor – emblematic of all those moments in which people take a stand, in which they bring the synthesis of their self-reflection, still unpolished, to the outside world, and which are used as key moments for evaluating past and future actions. Sure, it was a stupid appearance by Eidinger, but is empathy to be denied in advance, even if he still has to provide proof of solidarity? Would Korbach have done better? Does she do it better?
With her exhibition Fine people on both sides, and me. at NAK Neuer Aachener Kunstverein, Korbach probes the implications of her own position on the political spectrum. She has always been left-wing, but not so left-wing that she would have stuffed a potato into the muffler of some fancy car during her youth. Now she’d like to punch someone in the face. Or thinks she should punch someone in the face. Or thinks she should want to punch someone in the face. Although actually she would like to have some peace and quiet.
„I imagine it would be satisfying to put someone in hospital…“ In any case, the fantasy is already fixed for Korbach. Maybe it’s a matter of prophylactically hurting the political Right before they continue to harm those they don’t
want to acknowledge as human beings. Maybe a few burning SUVs are the signal needed to mobilize a vocal majority for the class struggle. Maybe you have to have tried violence before you can categorically reject it.
Everyone who didn’t kick a Mercedes star off of a car in their youth, however, will have to give their minds a good going over in adulthood if they are going to try out some belated left-wing radicalization in the realm of things enforceable by law. #partywennhelmutkohlstirbt lol, gladly also mocking the accidental death of Austrian right-wing populists. But really? Right in his face? It’s possible that at some point you’ll be too old for so much radicalism.
From the sidelines, Korbach approaches a political playing field where the law of the fist is supposed to replace debate. The radical left cheerleader is ready to pounce on her opponents – at least in theory. In practice, she is hindered by her suspicion that she will not be able to feel genuine threat even after taking a proper punch to the face. You can’t inscribe yourself in suffering. Angry beatings and tears of consternation are, in a way, related to each other as deficient means of expressing sincere sympathy.
At NAK Neuer Aachener Kunstverein, Korbach nuances aggression with a desire for healing. Pharmacy signs launch a longing for criticism and struggle – but please, without pain, for a world in which tolerance of ambiguity is not suspected of masking spinelessness, in which violence need not be a facet of attitude, and in which human dignity is not permanently being groped at, while everyone actually is standing with both feet on the ground of the free democratic basic order.
How can we finally get some tranquility? Is it still possible to start a conversation or must everything explode first? In her exhibition, Jody Korbach provides a few answers in between the lines. Which doesn’t mean that they have to be right.
Anna Meinecke

Anna Meinecke, Journalist